Hintergründe

Nachdem diese Angelegenheit jetzt schon ein wenig zurück liegt, hier noch eine kurze Zusammenfassung der Hintergründe: Kurz vor der Europawahl hatte 3Sat eine Folge von “Kulturzeit” ausgestrahlt, die sich mit der Piratenpartei beschäftigen sollte. Gespannt und interessiert wollte ich mich informieren lassen. Als Experte für “Internetzeugs” war Sascha Lobo geladen, der mir bis dahin unbekannt war. Seine Beurteilung der Partei war wenig “neutral”, mehr eine Meinung denn Information. An und für sich nicht verkehrt - wäre nicht weder diese Tatsache bekannt gewesen, noch seine Mitgliedschaft im Onlinebeirat der SPD. Daher meine E-Mail an ihn selbst, welche hier dokumentiert ist, und eine ähnliche an 3sat.

Das “Interview”

Das fragliche Interview in der 3sat Mediatek

Reaktionen

Von Sascha Lobo kam keine Antwort. Eine ähnliche, kürzere, Mail an 3Sat bleibt bis heute ebenfalls unbeantwortet. Anscheinend möchten sich beide nicht zur Neutralität der Sendung äußern.

Die E-Mail im Klartext

Hallo,

ich bin einer der wenigen unter meinen Bekannten und Freunden, die am Sonntag zur Europawahl gehen werden. Dabei sind wir nicht mal, wie man sagt, “sozial schwach” oder sonstwie ungebildet, sondern allesamt Studenten und zukünftige Lehrer, Experten für Medien- & Kommunikation und was man sonst so an der Universität in Augsburg findet. Die meisten von uns sind sogar schon fast mit ihrem Studium fertig, also nicht gerade erst der Schule und Muttis Obhut entsprungen.

Und dennoch bin ich einer der ganz ganz wenigen jungen Leute, der an einen Sinn hinter der Wahl glaubt und am Sonntag eine Stimme abgeben wird. Und ich kann es meinen Freunden nicht einmal wirklich verübeln, dass sie anders denken. Lassen wir mal außen vor, dass die Europawahl außer zu Wahlkampfzeiten kaum ein Thema im täglichen Diskurs ist. Lassen wir weiterhin außen vor, dass die wirklich aktive Aufklärung bzgl. des europäischen Einflusses auf den Bürger, die beim Bürger auch ankommt, irgendwo bei “das Gesetz wollen wir selber nicht, das ist aber eine EU-Verordnung…” liegt.

Würde ich nun sehen, dass die FDP mit Guido Westerwelle durch Deutschland tourt, dann aber (so kommt es in der Öffentlichkeit an) wohl in der Vergangenheit nur wenig bis kein Interesse an den eigentlichen Plenarsitzungen gezeigt hat, müsste ich mir überlegen, ob ich hier die Wahlen dann noch besonders sinnvoll halte. Wenn ich sehe, dass die CSU Freibier ausschenkt auf dem Königsplatz in Augsburg und recht offensichtlich populistisch auf “nur wir vertreten Bayern!!11” abzielt, mache ich mir die selben Gedanken. Wenn ich sehe, wie sehr sich andere Parteien dann überhaupt nicht wirklich um Wähler bemühen und nicht so recht öffentlich sichtbar sind, mache ich mir weiterhin die Gedanken, ob überhaupt die Politik selbst die Mitbestimmung der Bürger ernst nimmt.

Am meisten Gedanken mache ich mir allerdings, wenn die SPD im Fernsehen und auf Plakaten anscheinend nur wenig mehr zu bieten hat, als dass alle anderen Parteien sowieso blöde sind. Darüber hinaus gibt es nur wenig Aussagen. Nicht einmal, dass man das kleinste Übel sei. Man gewinnt den Eindruck, nicht einmal das wäre ein Anspruch, den man an sich selbst erhebt und nach außen kommuniziert.

Nun kommen wir zum Zweck der Mail. Da ist es natürlich bemerkenswert, wenn bei 3Sat jemand auftritt, der eine Partei beurteilen soll. Wenn man sich mal von der Frisur nicht beirren lässt, entsteht hier sehr schnell der Eindruck, ein unvoreingenommener Experte und Insider gebe nun eine abgewogene Einschätzung ab. Zumal 3Sat zu den öffentlich-rechtlichen Sendern gehört und man sich dort doch eigentlich vielleicht sogar Neutralität erhofft, sowie Bildung - und keinen Undercover-Wahlkampf. Der zitierte Experte ist Blogger, Journalist und noch einiges anderes. Ein Experte für moderne Themen also! Nicht vorgestellt wird er allerdings als Angehöriger oder vielleicht sogar Vertreter irgendeiner politischen Bewegung oder Partei.

Ein Blick bei Wikipedia hat mich dann allerdings mit den Ohren schlackern lassen. So neutral war der Bericht gar nicht. “Lobo ist Mitglied im Online-Beirat der SPD” steht da. Und plötzlich, obwohl Sie mir bisher nicht bekannt waren, ergab alles Sinn. Plötzlich fiel mir recht schnell auf, dass sich der Beitrag auf “die Piratenpartei hat kein richtiges Programm, die sind zu klein, so ein wichtiges Thema sollte von einer großen Partei aufgenommen werden” zusammenfassen lässt. Alle anderen doof - das neue Wahlkampfthema der SPD?

Wie muss ich denn nun den Auftritt bei 3Sat verstehen? Haben Sie damit tatsächlich einen neutralen Standpunkt erheben wollen? Eine unvoreingenommene Information vor der Wahl an vielleicht noch unentschlossene und politisch noch nicht stark genug gebildete Bürger abgeben? Oder ist es doch nur alles Wahlkampf, hier etwas verdeckt und heimlich?

Gedanken wie diese frustrieren mich ein wenig. Gedanken wie diese lassen mich alle Politikverdrossenheit verstehen, die in meiner Peer-Group anzutreffen ist.

Haben diese Gedanken denn vielleicht doch keine Grundlage? Was sagen Sie dazu?

Viele Grüße,

Florian Heinle